In diesem Garten dürfen alle ernten

Ein neuer Verein baut im Sulzerpark einen «essbaren Garten». Die Mitglieder wollen damit die Natur in den urbanen Raum bringen und andere ermutigen, es ihnen gleichzutun.

Text: Nina Thöny, Fotos: Madeleine Schoder

Erdbeerblätter und Halme von Knoblauch lugen zwischen Stroh hervor, immer abwechslungsweise. «Eine gute Mischkultur», sagt Liselotte Schwarz. «Der Knoblauch hilft, dass die Erdbeeren nicht so schnell faulen.» Sie steht mitten im Barbabos Garten im Sulzerpark beim Bahnhof Hegi. Schwarz hat ihn Anfang Jahr zusammen mit einem neuen Verein gegründet. Der Garten hat keine Zäune, jeder darf sich darin aufhalten.

Sieben Hochbeete verteilen sich auf einer Wiese von rund zwölf auf zehn Metern. Der Verein hat sie gemeinsam mit Helferinnen und Helfern selbst gebaut. Darin wachsen an einem Montag im April bereits Federkohl, Salat, Broccoli, Randen, Schnittsellerie und vieles mehr. Thomas Rinderer sagt:

«Es ist kein Ziergarten, fast alles, was wir pflanzen, ist essbar.»

Thomas Rinderer, Barbabos Garten

Und alle sollen mitmachen können. Auch Nichtmitglieder dürften Hand anlegen. «Solange jemand von uns dabei ist», ergänzt Michèle Rösli.

Gratis-Parzellen in Neuhegi
Der Barbabos Garten besetzt eine von insgesamt 15 Parzellen, welche die Stadt im Sulzer- und im benachbarten Idapark Anwohnern, Firmen und Vereinen zur Verfügung stellt. Ausser bei gewerblichen Nutzungen verlangt die Stadt in der laufenden Pilotphase bis im Herbst 2023 keine Gebühren. Interessierte können ihre Ideen unter dem Modul «Green Go» auf der App der Stadt Winterthur einreichen, über die Bewilligung entscheidet ein Gremium. Neben dem Barbabos Garten wurden gemäss der städtischen Website bereits eine Wildblumenwiese, ein Beerengarten und ein Permakulturgarten der Schule Neuhegi realisiert.

Michèle Rösli, Liselotte Schwarz und Thomas Rinderer bilden zusammen mit Lea Kohler den Vorstand des Vereins. Sie alle stammen aus Winterthur, und sie sind sich einig: Ihr Projekt soll andere Leute anstecken und ihre Lust wecken, selbst zu gärtnern. Rösli sagt: «Es wäre schön, wenn Leute hier Inspiration dafür fänden, was sie in ihrem eigenen Garten oder Balkon machen können.» Ganz nach der Philosophie des Vereins, wonach es die kleinen Dinge sind, die eine grosse Wirkung haben. «Der Zeitpunkt ist gut», sagt Rösli und zeigt auf die Kräne der Baustelle, die direkt neben dem Sulzerpark aus dem Boden ragen.

Lea Kohler, Thomas Rinderer, Liselotte Schwarz und Michèle Rösli (von links) haben zusammen den Barbabos Garten im Sulzerpark gegründet.

Der Traum von Winterthur als «essbarer Stadt»

Der Garten soll im urbanen Raum in Neuhegi auch einen Bezug schaffen zum Gemüse, das viele nur noch in den Regalen beim Detailhändler sehen. «Für uns ist der Garten eine Experimentierfläche», sagt Schwarz. «Wie kann man in der Stadt gärtnern, sodass man nachher auch Lust hat, das Gemüse zu essen?» Zu den bestehenden Hochbeeten sollen vertikale Elemente dazukommen, etwa eine Gemüsewand, denn der Platz ist beschränkt. Der Verein will damit einen Anstoss geben, damit sich Winterthur langfristig in eine «essbare Stadt» wandelt. Bei diesem Konzept geht es darum, öffentlichen Grund für den Anbau von Nahrungsmitteln zu nutzen. Die deutsche Stadt Andernach beispielsweise setzt schon seit 2010 auf das Motto «Pflücken erlaubt». Mitten in der Stadt wachsen dort Rüebli, Zwiebeln oder Beeren.

Auch im Garten in Neuhegi darf grundsätzlich jeder ernten. Immer nur zu nehmen, sei aber nicht die Idee, sagt Rösli. «Wer erntet, kann zum Beispiel dafür einmal Saatgut spendieren», sagt Schwarz. Kohler ergänzt, die grosse Ernte stehe für sie sowieso nicht im Vordergrund, sondern die gemeinsame Sache. Sie sagt:

«Mir ist vor allem der soziale Aspekt wichtig»

Lea Kohler, Barbabos Garten

Und Gärtnern tue gut, findet Rinderer: «In den Matsch zu langen, erdet mich.»

Finanzierung via Crowdfunding und Naturalienspenden

Ende März haben die vier Vorstandsmitglieder ihren Verein gegründet, jetzt zählt er bereits 15 Mitglieder. Nun gehe es darum, sich kennen zu lernen und zu organisieren, sagt Schwarz. In den nächsten Monaten wollten sie zudem eine Informationstafel gestalten, die Website auf Vordermann bringen und den Garten weiter ausbauen. Michèle Rösli, die in der Naturheilkunde tätig ist, freut sich vor allem auf die geplante Kräuterspirale.

Beim Bauen der Kräuterspirale könnten auch andere Leute mitmachen, sagt Schwarz. Sowieso sei es dem Verein ein Anliegen, Wissen weiterzugeben und voneinander zu lernen, über das Gärtnern, aber auch über andere Themen wie Nachhaltigkeit. Kurse wären eine Möglichkeit, der Austausch soll aber auch spontan stattfinden.

In der Startphase hat Schwarz bei einem Crowdfunding 4500 Franken für den Garten gesammelt. Später würden sie vielleicht wieder einmal einen Aufruf starten. Sie freuten sich aber auch über Naturalienspenden. Vor kurzem habe ihnen beispielsweise jemand Harasse angeboten. Aktuell seien sie auf der Suche nach Steinen, mindestens handgross, für die Kräuterspirale. Die Steine speicherten Wärme von der Sonne, wodurch mediterrane Kräuter wie Thymian, Salbei oder Rosmarin besonders gut gedeihen würden.

Namensgeber ist eine Bilderbuchfigur

Den Namen Barbabo leiht sich der Verein übrigens von der Bilderbuch-Reihe «Barbapapa». Deren Figuren schlüpfen aus dem Boden, Barbabo ist ein Künstler. Schwarz sagt:

«Unser Garten ist auch kreativ.»

Liselotte Schwarz, Barbabos Garten

Die Barpapapas könnten allesamt ihre Form verändern, das passe gut zu ihrem Gartenprojekt.

Ein selbst bemaltes Schild zeigt Besucherinnen und Besuchern den Namensgeber des Gartens, Bilderbuchfigur Barbabo.

*Dieser Artikel wurde am 26. April 2021 auf www.landbote.ch publiziert.

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