Sie denken den Markt für Kinderwagen neu

Ein Start-up tüftelt in Töss an einem langlebigen und anpassbaren Kinderwagen. Später will ihn das junge Team Eltern im Abo anbieten.

Text: Nina Thöny, Foto: Thi My Lien Nguyen

Die Idee, sich beruflich mit Kinderwagen zu beschäftigen, kam Mirco Egloff an einer Beerdigung im Familienkreis. «Als meine Cousine ihr Kind aus dem Kinderwagen hob, fiel er um», erzählt Egloff. So instabil und klapprig sei der Wagen gewesen. Egloff studierte zu dieser Zeit Energie- und Umwelttechnik an der ZHAW in Winterthur. Lektionen zur Kreislaufwirtschaft hätten ihn besonders interessiert. Damit hat der Markt für Kinderwagen bisher jedoch wenig zu tun: Viele Modelle landen im Keller, wenn das Kind rausgewachsen ist. «Eine grosse Ressourcenverschwendung», sagt Egloff.

Das muss anders gehen, fand er und verfolgt seither die Idee, wie man die Lebensdauer von Kinderwagen verlängern könnte. Für seine Masterarbeit schraubte er mit seiner späteren Geschäftspartnerin Simone Köchli Dutzende Secondhand-Modelle auseinander, schaute, welche Teile kaputt waren und wo man ansetzen müsste, um die Produkte nachhaltiger zu gestalten.

Im März haben Egloff und Köchli gemeinsam mit Chantal Lisci, Remo Mathys und Ali Herold ihr Start-up unter dem Namen Loopi gegründet. Ausser Egloff arbeiten derzeit alle noch in einem weiteren Job. Bei Loopi wollen sie Kinderwagen im Abo anbieten, statt sie zu verkaufen. Ihre Modelle wollen sie aus Modulen bauen, die Eltern austauschen können, wenn sich ihre Bedürfnisse ändern.

Viele Eltern würden mit einem grossen Kinderwagen starten, sagt Egloff. «Fängt das Kind dann an zu laufen, hätten sie lieber einen schmalen Buggy.» Umgekehrt stellten sich die Räder des handlichen Buggys im steinigen Gelände vielleicht quer. Deshalb sollen Eltern bei Loopi beispielsweise aus ihrem vierrädrigen Gefährt ein dreirädriges machen oder die Liege durch einen Sitz tauschen können, erklärt Köchli.

Gebrauchte Kinderwagen attraktiv machen

Brauchen die Eltern den Kinderwagen nicht mehr, geben sie ihn Loopi zurück. Dort wird er getestet, falls nötig repariert und gereinigt, bevor er an eine neue Familie geht. Zwar übernehmen schon heute manche Eltern den alten Kinderwagen von Freunden oder kaufen ihn secondhand. Köchli sagt:

«Viele wollen aber keinen Kinderwagen im Brockenhaus kaufen, der vielleicht Flecken hat.»

Simone Köchli, Mitgründerin Loopi

Bei Loopi würden sie etwa das Polster neu beziehen. «Damit können wir gebrauchte Kinderwagen für viel mehr Leute attraktiv machen.»

Bestandteile will das Team so lange nutzen, bis sie keinen Zweck mehr haben. Was nicht mehr repariert oder in anderer Weise wiederverwendet werden kann, soll recycelt werden. Egloff sagt, das Problem in der Schweiz sei, dass die Entsorgung von Sperrgut praktisch nichts koste, für einen Kinderwagen bezahle man nur ein paar Rappen. «Das steht in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Kosten und zum Schaden an der Umwelt.» 90’000 Kinderwagen schmeissen Schweizerinnen und Schweizer gemäss Berechnung von Simone Köchli jedes Jahr weg. Sie sagt:

«Es ist uns wichtig, zu zeigen, dass nachhaltig auch wirtschaftlich sein kann.»

Simone Köchli, Mitgründerin Loopi

Noch gibt es die Kinderwagen von Loopi nicht, das Team steckt mitten in der Produktentwicklung. Im Frühling hat es ein kleines Büro im Home of Innovation bezogen, das auf dem Rieter-Areal in Töss Arbeitsplätze für Start-ups bietet. An drei Stellwänden hängen Dutzende Skizzen und Post-its. Vor einer Woche hat das Team ein Crowdfunding auf der Plattform Wemakeit gestartet. 80’000 Franken sollen so zusammenkommen für die Entwicklung eines Prototyps.

Köchli sagt: «Bis Ende Jahr wollen wir ein Modell haben, das Eltern testen können.» Danach komme ganz viel Arbeit auf sie zu, ergänzt Egloff. Denn dann gelte es, die ganzen Rückmeldungen der Eltern aufzunehmen. «Sie sind die Experten.» Wann das Start-up seine Kinderwagen auf den Markt bringt, ist noch nicht klar.

Der Preis fürs Abo steht noch nicht fest

Auch bei der Herstellung will das Start-up auf die Umwelt achten. Bestandteile sollen, wo möglich, in der Schweiz hergestellt werden und sonst im nahen Ausland. Entscheidend sei die Qualität, sagt Remo Mathys, der einen Hintergrund in Industriedesign mitbringt. Dort liege das Problem bei den meisten Kinderwagen:

«Die Produkte sind heute gar nicht für eine lange Zeit gedacht.»

Remo Mathys, Mitgründer Loopi

Viele Kinderwagen seien für eine Lebensdauer von etwa vier Jahren konzipiert, so lange, wie sie die meisten Familien brauchten. Ersatzteile seien häufig schwer zu beschaffen und teuer, sagt Mathys. «Wir müssen mehr investieren in unsere Produkte, damit sie lange halten.»

Was das Abo bei Loopi kosten wird, ist indes noch offen. Den Preis festzulegen, wird knifflig. «Es soll kein Privileg sein für Gutverdienende», sagt Mathys. Zugleich wollten sie alle involvierten Personen fair bezahlen, sagt Köchli. Doch vor der Preisfrage widmet sich das Team nun seinem Prototyp.


*Dieser Artikel wurde am 10. Mai 2021 auf www.landbote.ch publiziert.

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