Am Freitag haben Mandy Chong und Nicola Schneider aus Zürich in der Lokstadt ihre Bar «Lokal» eröffnet, fast zwei Monate später als geplant. Trotz der wenig prominenten Lage schauten viele Leute vorbei.
Text: Nina Thöny, Fotos: Christian Merz
Die Holzpaletten ziehen sich als Sujet durch die grosse Halle: Auf den Seiten sind sie zu Wänden zusammengebaut und tragen grosse Bilder und verschnörkelte Spiegel, an mehreren Stellen bilden sie Podeste, auf denen Sofas und Sitzecken stehen. Mitten im Raum an einer alten Kranbahn hängt ein Kronleuchter, seine Kristalle glitzern im Scheinwerferlicht.
Rund 50 Personen aller Altersgruppen sind an diesem Abend gleichzeitig anwesend, immer wieder gehen welche, und es stossen neue Gäste dazu. Nicola Schneider, Gründer des Zürcher Clubs Hive, und Mandy Chong haben zur Eröffnung ihrer neuen Bar Lokal an die Zürcherstrasse 41 geladen. Es seien «massiv» mehr Leute gekommen, als sie erwartet hätten. Chong sagt lachend: «Wir haben gedacht, dass wir dann irgendwo gemütlich auf einem Sofa sitzen.» Stattdessen setzen sich die beiden an diesem Abend immer nur kurz zu einer Gruppe hinzu, bevor sie für eine andere Gruppe Drinks holen. Das grosse Interesse freut sie:
«Die Halle ist genug lange leer gestanden, sie soll leben»
Nicola Schneider
700 Franken fürs Verkehrsschild
Gefüllt haben Chong und Schneider die frühere Fabrikhalle nicht mit gewöhnlichen Gastromöbeln, sondern mit Fundstücken aus Brockenhäusern und mit lokalen Kunstwerken. Denn das «Lokal» soll alles gleichzeitig sein: eine Bar, eine Galerie, ein Brockenhaus und eine Werkstatt. Die Sofas und Sessel, auf denen jetzt Männer und Frauen zusammensitzen, können wie alle Möbel und Gegenstände gekauft werden.

Schnäppchenjäger sind im «Lokal» aber am falschen Ort. Das alte verfärbte Verkehrsschild, das nach links zum «Dolder Sonnenberg» zeigt, kostet 700 Franken. Das verrät ein winziger grüner Kleber, der diskret auf der Seite angebracht ist. Der runde Salontisch mit den geschnitzten Klauen am Fuss ist für 285 Franken zu haben. In den aufpolierten Stücken steckt viel Handarbeit. Chong und Schneider restaurieren die Möbel zusammen mit zwei Kollegen. Chong sagt: «Die Preise sind auch abhängig davon, wie wertvoll ein Stück für uns ist.» Nehme es einen zentralen Platz ein, wie etwa die grosse Bohrmaschine bei der Bar, dann koste es auch mehr.
Futuristische Traumwelten
Mit dem Barbetrieb und zwischen den vielen kuriosen Details könnte die Kunst schnell zur Nebensache werden. Dafür, dass dies nicht passiert, sorgen diverse Scheinwerfer, die den Fokus auf die grossen Bilder richten. Es sind Werke aus der Serie «Falling Asleep» der Winterthurer Künstlerin Claudia Maria Lehner. Mit den schwebenden Elementen und den Strichen, die an dicke Schnüre und Draht erinnern, haben sie eine futuristische Anmutung. Und sie regen zum Diskutieren an, wie gestikulierende Gäste an diesem Abend beweisen. Nach rund einem Monat soll die Ausstellung laut dem Betreiberduo jeweils wechseln.
In einem mit dünnen Wänden abgetrennten Bereich, wo früher wohl die Vorgesetzten ihr Büro hatten, liegt heute die Werkstatt des Lokals. Durch die Fenster einer Tür mit der Aufschrift «Privat» lässt sich von aussen reinblicken: Vor einer lachsfarbenen Wand hängen nebeneinander Hämmer, Spachtel, Sägen und Winkel. In der Mitte stehen Böcke. Gewerkelt wird ausserhalb der Öffnungszeiten. Wolle man seine Habseligkeiten im «Lokal» reparieren, solle man einfach anfragen, so Schneider.
Betreiberduo setzt aufs Netzwerk
Die Lage an der stark befahrenen Zürcherstrasse und abseits des Stadtkerns ist keine einfache Voraussetzung für das Duo aus Zürich. «Wir müssen unser Netzwerk in Winterthur auf jeden Fall noch ausbauen», sagt Schneider. Eine Winterthurerin hinter der Bar soll helfen. Auf lokale Getränke, wie das Bier von Euelbräu oder den Pflaumenschnaps der Draft Brothers, würden sie vor allem aus dem Gedanken der Nachhaltigkeit setzen, so Schneider.
Mehr als 50 Leute dürfen aber sowieso nicht in die Bar rein, weil es nur einen Fluchtweg gibt. Den ersten Gästen scheint es im neuen Treffpunkt zu gefallen – «ich fühl mich sauwohl hier», sagt zumindest eine Frau zu Chong, bevor sie aus der Tür tritt.
*Dieser Artikel wurde am 7. Juni 2020 auf www.landbote.ch publiziert.