Rika Brune führte bei Radio SRF3 durch eine Themenwoche über den Weg zum Schweizer Pass. Die 31-Jährige kennt das Prozedere, denn sie lässt sich derzeit in Winterthur einbürgern.
Text: Nina Thöny, Fotos: Madeleine Schoder
Rika Brune ist Schweizerin. Würde man meinen, wenn man ihr zuhört, wie sie in Mundart moderiert am Radio. Und Brune fühlt sich als Schweizerin, denn sie ist hier geboren und zur Schule gegangen. Amtlich aber ist sie Deutsche. Beide Eltern stammen aus Deutschland. Der Pass, den sie in der Hand hält, ist von einem dunkleren Rot als der von Herrn und Frau Schweizer. Fast 30 Jahre lang hat er ihr gereicht. Jetzt aber will Brune den Schweizer Pass.
Zu diesem Wunsch beigetragen hat ihre Wahlheimat, erzählt Brune am Telefon: «In Winterthur bin ich zum ersten Mal zu Hause.» Geboren ist Brune in Sursee, danach ging es über Neuenkirch für ein Jahr nach Deutschland, dann ins luzernische Kriens. Die Primarschule besuchte sie in Dallenwil im Kanton Nidwalden, während Sek und Gymi wohnte sie «ein Kaff weiter», in Wolfenschiessen. In Basel hat Brune studiert, danach zog es sie nochmals für ein Jahr in die Innerschweiz, bevor sie vor etwas mehr als fünf Jahren in Winterthur ankam:
«Mir gefällt das Dorf im Stadtgewand.»
Rika Brune, Radiomoderatorin
Wenn eine Radiomoderatorin stumm bleibt
Am Samstag sitzt Brune im Café Portier auf dem Lagerplatz. Auf ihrer Untertasse leuchtet ein oranges Schöggeli und fordert ein Ja zur Konzernverantwortung. Doch Brune kann weder Ja noch Nein sagen am nächsten Wochenende. In ihrem Briefkasten landet kein Stimmcouvert. Das stört Brune: «Meine Stimme fehlt.» Früher habe ihr Politik zwar wenig bedeutet. Das änderte sich vor sechs Jahren mit den ersten Praktika im Medienbereich. Sie hatte sich zu interessieren.
Ihr Thema machte Brune in den letzten Tagen zum Inhalt der Spezialwoche auf SRF3, «Gib Pass!». Von Montag bis Freitag berichteten Hörerinnen und Hörer über ihre Erfahrungen beim Einbürgern. Manche Geschichten hätten sie sehr berührt, sagt Brune. Etwa die des Syrers Raeif Al Habash, der vor dem Bürgerkrieg in die Schweiz flüchtete: «Raeif erzählte mir, wie er hier mit seiner Mutter im Container wohnen musste, bevor er sich eine Wohnung leisten konnte.»
Die Gespräche hätten ihr gezeigt, wie wertvoll das rote Büchlein für Ausländerinnen und Ausländer sein kann: «Mit einem kongolesischen oder mazedonischen Pass bleiben Grenzen verschlossen, und mit ihm steht man bei der Wohnungssuche hinten an.» Für diejenigen, die den Pass schon immer hatten, sagt Brune, sei er eine Selbstverständlichkeit, «ein Reiseaccessoire».
In Schwyz kostet Einbürgern mehr als anderswo
Und noch einen Fakt übers rote Büchlein nimmt Brune mit: Schweizer Gemeinden verfahren nicht nur sehr unterschiedlich beim Einbürgern, sie verlangen auch unterschiedlich viel Geld. «Die Differenzen sind extrem», sagt Brune. In Schwyz beispielsweise bezahle man fürs Einbürgern mit 3600 Franken mehr als viermal so viel wie in Lausanne.
Brune selbst rechnet mit rund 2000 Franken. Ziemlich genau ein Jahr ist es jetzt her, dass sie ihr Einbürgerungsgesuch ausgefüllt hat. «Dann ging die Jagd nach den Dokumenten los», erinnert sie sich. Geburtsurkunde, Betreibungsregisterauszug, Bescheinigung des Steueramts. Jedes Papier kostete einzeln.

«Bitte rufen Sie nicht an»
Und wie erlebt Brune das Einbürgern? «Eigentlich gar nicht.» Ab und zu erhalte sie einen Brief. Ein Amt dankt für die Unterlagen und informiert sie, man habe diese weitergereicht. «Besonders witzig fand ich die Post vom Kanton.» Darin sei immer gestanden: «Bitte rufen Sie nicht an.» Anders ein Brief von Winterthur. Endlich habe sie all ihre Fragen stellen können: Muss ich zum Test? Muss ich zum Gespräch kommen? Brune musste weder noch, weil sie in der Schweiz zur Schule gegangen ist.
Voraussichtlich im nächsten Monat entscheide der Stadtrat über ihr Gesuch, sagt Brune. Klappt alles, dann ist sie im nächsten Jahr auch auf dem Papier Schweizerin. Dann zählt ihre Stimme nicht mehr nur am Radio, sondern auch bei Fragen über die Zukunft der Schweiz. Eine Idee hat sie schon: Die Gemeinden sollen die geforderte Wohndauer vereinheitlichen. «Das wäre sinnvoll und zeitgemäss».
In Winterthur entscheidet der Stadtrat
In der Schweiz sind die Gemeinden zuständig für Einbürgerungen. Deshalb bestehen teilweise grosse Unterschiede bezüglich Anforderungen und Kosten. Infrage kommt grundsätzlich, wer seit zehn Jahren in der Schweiz wohnt und eine Niederlassungsbewilligung C besitzt.
Wer Bürgerin oder Bürger von Winterthur werden will, muss zudem seit mindestens zwei Jahren in der Gemeinde leben. Im Ausland Geborene bezahlen 1200 Franken Gebühren, wer in der Schweiz geboren ist, 500 Franken. Dazu kommen insgesamt 600 Franken Gebühren beim Kanton und beim Bund. Unter 25-Jährige bezahlen weniger.
Über die Einbürgerung von Ausländern, die im Ausland geboren sind, entschied früher der Gemeinderat. Eine siebenköpfige Bürgerrechtskommission befragte die Antragsteller mündlich über ihr Staatskundewissen und gab eine Empfehlung ab. Per Mai 2018 änderte das Verfahren: Seither entscheidet allein der Stadtrat über Anträge, und der Test wird schriftlich abgelegt.
*Dieser Artikel wurde am 23. November 2020 auf www.landbote.ch publiziert.