Obwohl der Bundesrat Veranstaltungen mit bis zu 1000 Personen wieder erlaubt, fallen in diesem Sommer auch viele kleine Festivals aus. Vier Veranstalter erzählen, was das für sie bedeutet und wie sie die freie Zeit nutzen.
Text: Nina Thöny, Titelfoto: Yannis Eberhard / Tabea von Ow
Drei Jahre lang hatte das Team vom Bambole-Open-Air pausiert. Am Wochenende hätte das Open Air in der Nähe von Wülflingen zum ersten Mal wieder stattfinden sollen. Nun aber steht das Gras vor dem alten Bauernhof wadenhoch.

Yan (34), der Bauchef des Bambole, erzählt von der Diskussion mit dem Vorstand und der Open-Air-Leitung zu Beginn der Corona-Krise. Sie seien schon bald davon ausgegangen, dass sie das zweitägige Festival wahrscheinlich zwar durchführen könnten, «es gäbe aber mehr Arbeit und mehr Kosten bei weniger Spass». Absperrungen hätten ihren Grundsätzen widersprochen. Beim Bambole bezahlen Besucherinnen und Besucher keinen Eintritt. Gemeinsam hätten sie deshalb einstimmig entschieden, ihr Open Air auf das nächste Jahr zu verschieben.
Nun bleiben die vielen Bühnenelemente, Küchengeräte und Dekowaren in der alten Scheune stehen.
Video: Tabea von Ow und Nina Thöny
Die frei gewordene Zeit wollen Yan und das Team unter anderem dafür nutzen, die Infrastruktur zu verbessern: Den alten Bandraum unter der Scheune wollen sie zur Werkstatt umbauen. Und im Gelände wollen sie unterirdisch Rohre legen, sodass sie in Zukunft einfacher Leitungen mit Frischwasser ziehen und Kabel verlegen können. Im nächsten Jahr möchten sie das Bambole zudem um Angebote für Kinder und Eltern erweitern.

Der Vereinspräsident geht stattdessen tauchen
Stadtauswärts, auf der Freizeitanlage hoch über Neftenbach, hätte am 20. Juni das Chräen-Open-Air stattfinden sollen. An ebendiesem Samstag kommt Vereinspräsident Ruben Menzi (32) für das Gespräch vor Ort. «Jetzt würde ich gerade etwas trinken oder dort aushelfen, wo es brennt», sagt er.

Laute Musik und tanzende Leute sucht man jedoch vergebens, nur wenige Personen sind im Hintergrund zu sehen. Es sind Familienmitglieder, die sich zu einer Feier treffen, die Gemeinde hat den Platz anderweitig vermietet.
Auch Menzi weiss die frei gewordene Zeit zu nutzen. Zum Interview kommt er direkt vom Schwimmbad Oberi. «Ich habe dort einem Schüler Tauchen beigebracht.» Er führt zum Schuppen, wo das Chräen-Team einen Teil des Materials lagert. Dabei schiebt er sich die Sonnenbrille ins Gesicht. Jetzt, bei diesem Traumwetter und vor Ort, werde er schon etwas wehmütig.
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Die meisten Vereinsmitglieder arbeiten Vollzeit, das Chräen organisieren sie in ihrer Freizeit. Es sei gut, sich einmal auf Arbeiten konzentrieren zu können, die sonst zu kurz kämen, «unsere Website oder unser neues Sicherheitskonzept, zum Beispiel».
Geringeres finanzielles Risiko als die Grossen
Anders als grosse Open-Air-Veranstalter hatten die lokalen Organisatoren nicht auf einen Entscheid des Bundesrates gewartet. Meist fehlt ihnen eine Versicherung für bereits getätigte Ausgaben. Das Team des Sternen-Open-Airs beispielsweise hat die Reissleine deshalb gezogen, bevor es verbindlich Licht- und Tontechnik hätte dazumieten müssen.

Das berichtet OK-Chef Manuel Reutimann (26). Beim Sternen-Open-Air arbeiteten alle ohne Lohn. Die Absage sei aus diesen Gründen «finanziell nicht so gravierend». Das Chräen-Open-Air wiederum hatte zwar den Platz bereits reserviert und bezahlt, die Gemeinde hat die Gebühren aber zurückerstattet. Zudem haben laut Menzi viele Sponsoren ihren Beitrag dem Chräen-Verein trotzdem ausbezahlt.
Zentrale Lage als Vorteil
Mit Blick auf das nächste Jahr macht sich Reutimann vom Sternen-Open-Air keine Sorgen, dass die Leute wieder auf den Lagerplatz feiern kommen. Die einzigartige Location in der Offenen Halle 142, nur wenige Minuten vom Hauptbahnhof entfernt, sieht er als Vorteil.
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Bescheidenheit als Rezept
Auch der Brüttemer Stallrock-Verein kann den Ausfall seines Festivals Riderock verkraften. Präsident Peter Hungerbühler sagt: «Wir führen nur Anlässe durch, die wir im Vorfeld schon finanziert haben.» Allerdings kann der Verein nun seine Kasse nicht füllen, mit der er laut Hungerbühler Jugendarbeit in Brütten finanziert und Musiker fördert.

Das eintägige Festival in Brütten findet jeweils am Wochenende des Love Ride statt. Anlässlich der Benefizveranstaltung zugunsten von muskelkranken und behinderten Menschen rollen jeweils Tausende von Motorrädern durch die Schweiz. Auf Hungerbühlers Hof warten auf sie und weitere Besucherinnen und Besucher eine Festwirtschaft und Rockmusik. Hungerbühler erinnert sich: «Als wir das vor zehn Jahren zum ersten Mal machten, hatten wir im Vorfeld 50 Würste gekauft. Die waren sofort weg.»

Hungerbühler ärgert sich über teures Equipment und übertriebene Gagen, die viele Festivals Bands bezahlen. Seine Hauptmotivation sei gewesen: «Das muss auch ohne viel Geld, ohne Sponsoring, ohne viele Helfer und ohne Versicherung gehen. Dafür mit sackguter Musik.» Bis heute ist das Riderock bescheiden aufgestellt, die Bühne etwa hat der Verein selbst gezimmert:
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Statt das Festival zu organisieren, habe er am Tag des Riderock im Stall gearbeitet. Da gebe es immer genug zu tun. Gereut habe ihn die Absage vor allem für die Jungen im Verein.
Der Aufwand bleibt ähnlich
Alle vier Veranstalter betonen, dass sie ihr Festival nicht ausfallen lassen, sondern aufs nächste Jahr verschieben. Auch wenn sie einige Vorbereitungen bereits getroffen haben und wenn möglich dieselben Bands buchen werden, rechnen sie für den kommenden Anlass nicht mit weniger Arbeit. Reutimann vom Sternen-Open-Air sagt etwa: «Der Aufwand wird ähnlich bleiben.»
Im nächsten Jahr will auch das Team vom Eidberger Open Air wieder loslegen. Bereits Anfang Jahr hatte es in einer Medienmitteilung informiert, dass es eine Pause einlegt. Nicht Corona-bedingt, sondern um «mit neuen Ideen, frischer Energie und Freude wieder an den Start zu gehen».